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Die Zeit der Aufklärung hat begonnen?

Verantwortlicher Autor: Dieter Kurt Berlin, 22.03.2019, 11:57 Uhr
Presse-Ressort von: Dieter Kurt Bericht 10797x gelesen
Am Samstag wäre das nicht aufgefallen?
Am Samstag wäre das nicht aufgefallen?  Bild: Riesenberg

Berlin [ENA] Es gibt ein altes Sprichwort: "Kindermund tut Wahrheit kund!" - keine besonders gelungene Ausdrucksweise - aber ein ähnlicher Ausspruch: "Von Kindern und Narren kannst du die Wahrheit erfahren!", ist auch nicht wesentlich besser. Der "Normalbürger" könnte es kurz übersetzen mit: "Sagen, was ist!"

Wer mir ohne Augenzwinkern noch vor Monaten erzählt hätte, dass der Auftritt eines kleinen unscheinbaren jungen Mädchens, bewaffnet mit einem Pappplakat, eine dermaßen große Aufmerksamkeit und den fast weltweiten Drang nach Nachahmung mit sich bringt, der hätte bei mir nur ein ungläubiges Kopfschütteln geerntet. Was ist denn eigentlich der große Inhalt dieses Hypes? Da werden Informationen, Parolen und Aussagen verbreitet, die eigentlich überhaupt nicht neu sind und schon viele, viele Male artikuliert wurden. Dass diese nun als interessanter empfunden werden, muss wohl dem Umstand geschuldet sein, dass dafür mittlerweile tausende Schulpflichtige dieser Pflicht einfach mal nicht nachkommen.

Ein Argument für den selbst gewählten Unterrichtsausfall an den Freitagen ist, dass dadurch eine höhere Aufmerksamkeit erzeugt werde, als wenn man die Demonstrationen am Samstag oder Sonntag oder in der sonstigen Freizeit durchführen würde. Mag sein, dass dies für einige Gebiete in unserem Lande zutrifft, für Berlin mit Sicherheit jedoch nicht. Die Demo am Freitag war für den berufstätigen Berliner Bürger weniger einschränkend als die am folgenden Samstag durchgeführte Demo gegen den "Upload-Filter", da es hier auch für die meisten Touristen zu Einschränkungen kam und die Freizeit durch Umwege und Wartezeiten belastet wurde. Dieser Umstand löste an sich schon mehr Aufmerksamkeit aus, sowohl Verständnis für das Anliegen als auch Unmut aus.

Die Teilnehmerzahlen am 15. März waren schon überraschend, in Berlin schwankten die Angaben zwischen 8000 und 20000 Demonstranten. Als Betrachter würde ich in Richtung der oberen Zahl tendieren, was aber nicht die Anzahl der Schüler widerspiegelt. Unter der Menge befanden sich viele Teilnehmer, die das Schulalter bereits hinter sich gelassen haben sollten. Könnten auch Abendschüler gewesen sein oder - wie logischer wäre - selbst Lehrer oder Eltern. Im Gespräch mit einigen Jugendlichen kam es mir aber so vor, als wären die Antworten stereotyp ähnlich. Es ist auch nicht verwunderlich, wenn durch die ständige Wiederholung des gleichen Inhaltes sich bei den Kindern eine Art Tunnelblick entwickelt, der Fragen und Argumenten wenig Raum lässt.

Natürlich ist es begrüßenswert, wenn sich bereits Kinder für ihre Umwelt interessieren. Aufmerksamkeit und Neugier sind ja eine Triebfeder für die Entwicklung. Wenn sich jedoch die Aussagen widerspruchslos, zum Teil ungefiltert und von Beifall begleitet, gegen ihre Eltern richten, wird es ethisch-moralisch etwas bedenklich. "Ihr stiehlt unsere Zukunft!"; "Ihr sollt in Panik geraten..." sind ja nur wenige Äußerungen, die ständig hör- und sichtbar waren - deshalb aber nicht richtiger werden. Die Ungeduld ist ein Privileg, das den Jüngeren immer zugestanden wird. Verständnis dafür, dass jedes Ding seine Zeit braucht, lehrt das Leben später.

Wenn man den Veröffentlichungen in vielen Presseorganen Glauben schenken sollte, hätten mehr als 60% der Bürger Verständnis, sowohl für das Anliegen als auch für den zeitlichen Rahmen der Schülerproteste. Aber so ist es mit der Statistik, welche man nicht selbst erstellt: Es entsteht der Eindruck, auch hier gebe es so etwas wie "gefühlte" Auswertungen. Irgendwie erinnert mich der Ablauf dieser "Bewegung" an eine der letzten Szenen aus dem Oscar-Preisgekrönten Hollywoodstreifen "Forrest Gump", in welchem der Hauptdarsteller damit beginnt, einsam und ziellos durch Nordamerika zu laufen. Nach und nach schließen sich Hunderte an - die "Joggingbewegung" wurde geboren. Viele liefen mit ohne zu hinterfragen - nur weil andere es vormachten.

Journalisten sollen sagen, was ist, auch wenn es manchmal "gegen den Wind" geht. Dass einige unserer führenden Politiker nicht nur großes Verständnis bekunden, sondern diese Demonstrationen fast als Podium benutzen, ist erklärbar. Allerdings könnte man aber auch zu dem Schluss kommen, dass die Schüler unfreiwillig eine kostenlose Werbung für die Industrievereinigungen machen, welche die Herstellung und Verwertung von Umwelttechniken jeglicher Art unter dem Aspekt der Nachhaltigkeit betreiben. Mir sind nur wenige Kinder und Jugendliche aufgefallen, deren Kleidung aussah, als wäre sie "nachhaltig" erzeugt worden, von den vielen Smartphones ganz zu schweigen.

Vielleicht sollten sie darüber nachdenken, wie die für sie mittlerweile unverzichtbaren Hilfsmittel (auch darüber gibt es Statistiken) produziert werden. Um zu erkennen, dass ein Ei faul ist, muss man selbst kein gutes legen können - eine alte Erkenntnis. Dass eigentlich keines der genannten Probleme unbekannt ist, bleibt ebenso eine Tatsache wie die Erkenntnis, dass jede Entwicklung ihre Zeit braucht. Ungeduld und Tatendrang sind zwar wichtig, umsichtiges Handeln auf der Basis von Wissen und Erfahrung aber ebenso. Das ist die persönliche Meinung des Autors, der sich damit vielleicht ins Abseits der gegenwärtigen wachsenden Bewegung stellt. Nur weil man "laut" ist, muss man nicht zwingend im Recht sein.

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